Interview: Prof. Dr. Radtke vom DERMATOLOGIKUM HAMBURG

Von Gute-Laune-Macher bis Feindin der Schönheit: Die Meinungen zur Sonne und deren Effekt auf den Menschen sind gespalten. 

Prof. Dr. Marc Radtke vom DERMATOLOGIKUM HAMBURG teilt in den folgenden Passagen den aktuellsten Stand der Medizin und beleuchtet Mythen und Wahrheiten.

​Prof. Dr. Radtke ist Facharzt für Dermatologie. Seine Schwerpunkte sind chronisch-entzündliche Hauterkrankungen, Schuppenflechte, Neurodermitis sowie klinische Forschung.

Mythen zu Lichtschutz
und Sonne

Mythos 1: Wenn ich mich morgens einmal eincreme reicht es für den ganzen Tag

NEIN: Durch Schwitzen sowie durch natürlichen Abrieb, reduziert sich der schützende Film kontinuierlich über den Tag. Am Strand oder beim Baden geht dies noch schneller. Der Lichtschutz sollte daher mehrmals täglich und insbesondere nach dem Baden erneuert werden. Bereits nach 20 Minuten Baden beträgt der Schutz weniger als 50%. Die Bezeichnung „wasserfest“ ist nur bedingt richtig und ersetzt nicht das erneute Auftragen. Eine Sonnencreme, die als wasserfest bezeichnet wird, muss auch nach einem zwanzigminütigen Bad noch 50% ihrer ursprünglichen Schutzkraft aufweisen. Im Hochsommer sollte die Sonne zwischen 11:00 und 15:00 Uhr ganz gemieden werden, um Hautschäden aufgrund der sehr intensiven Strahlung vorzubeugen. 

Mythos 2: Solange ich mich im Schatten aufhalte und nicht der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt bin, brauche ich keinen Lichtschutz auftragen

NEIN: Durch Reflexionseffekte streuen die UV-Strahlen in alle Richtungen, insbesondere im Freien. Daher wird man auch im Schatten braun und kann einen Sonnenbrand erleiden. Auch Sonnenschirme oder Terrassen-Markisen sind niemals komplett undurchlässig für UV-Licht. Auch hier sollte man auf ausreichenden Lichtschutz achten. Gleiches gilt für Glas, das die UVA-Strahlung nahezu ungehindert durchlässt. Am Strand und an der See sorgen Reflexionseffekte vom Wasser und vom Sand, dass auch im Schatten noch UV-Strahlung in besonderem Maße auf die Haut trifft. Kleidung liefert zusätzlich UV-Schutz, hier gilt die Regel: Je dunkler und dichter die Textilien gewebt sind, umso höher der Schutz, Chemiefasern sind besser als Baumwolle und Viskose. Spezielle UV-Kleidung sollte das Siegel „UV-Standard 801“ tragen. Bei allen Sportarten im Wasser ist ein gutes T-Shirt sowieso Pflicht, weil die Schultern sonst sehr schnell verbrennen können.

Mythos 3: Wenn ich nicht in die Sonne gehe bildet mein Körper kein Vitamin D

NEIN: Zunächst sollte untersucht werden, ob überhaupt ein Vitamin D Mangel vorliegt. Auch dies wäre kein Freifahrtschein für unbegrenzte Sonnenbestrahlung. Fachgesellschaften haben sich in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf geeinigt, dass es genüge, zur Vitamin-D-Bildung Gesicht, Hände und Arme zwei- bis dreimal die Woche unbedeckt ohne Creme der Sonne auszusetzen – und zwar etwa die „Hälfte der Zeit, in der man sonst ungeschützt einen Sonnenbrand bekommen würde“. Also die Hälfte der Eigenschutzzeit. Diese ist aber vom Hauttyp und einiger weiterer Ko-Faktoren abhängig und sollte bei einem Hautarzt oder einer Hautärztin erhoben werden. Zusätzlich kann man Vitamin D auch zuführen, wenn ein Mangel tatsächlich vorliegt.

Mythos 4: Doppelter Lichtschutzfaktor = doppelter Schutz = doppelte Besonnungszeit

NEIN: Die Wirkung des Lichtschutzfaktors ist vom Hauttyp abhängig. Man kann hierbei nicht von einem „Universalschutz“ ausgehen der für alle gleichermaßen gilt. Der Lichtschutzfaktor verlängert die Eigenschutzzeit, die vom jeweiligen Hauttyp abhängig ist. Daher müssen sich helle Hauttypen häufiger eincremen als dunklere Hauttypen. Beträgt die Eigenschutzzeit der Haut beispielsweise 10 Minuten (das ist bei sehr hellen Hauttypen oft der Fall), verlängert sich diese durch eine Sonnencreme mit dem Lichtschutzfaktor 50 auf 500 Minuten. Hierfür ist es aber notwendig, bei Schwitzen oder beim Baden den Schutz regelmäßig zu erneuern. Die Angaben sollten nicht ausgereizt werden, da zumeist vorausgesetzt werden kann, das beim Auftragen der Creme sowohl in der Handhabung als auch in der Menge stets Fehler passieren, die die Schutzzeit erheblich verkürzen. Deshalb raten Experten dazu, 60% von der Minutenzahl abzuziehen und den dann verbleibenden Wert als Orientierung zu sehen. 

Mythos 5: Im Solarium vorbräunen beugt Sonnenbrand und Sonnenallergie vor

NEIN: Beim Sonnenbaden im Solarium wird die Haut zwar temporär braun, sie bildet aber keine schützende Lichtschwiele. Die Haut wird doppelt belastet, zuerst durch das Solarium und dann durch die Urlaubssonne ausgesetzt. Schutz durch Sonnencreme bleibt die einzige effektive Methode gegen Sonnenbrand und späteren Hautkrebs. Die Haut kann nicht sinnvoll auf die Sonne vorbereitet werden. Vorbräunen bedeutet immer eine zusätzliche UV-Belastung und ist deshalb stets zu meiden. Auch Selbstbräuner schützen nicht vor Sonnenbrand und den schädlichen Einflüssen des UV-Lichtes.

Mythos 6: Bei Sonnenbrand hilft Quark

NEIN: Quark kühlt, hat aber keine antientzündliche Wirkung. Beim Sonnenbrand handelt es sich um eine akute Entzündungsreaktion der Haut, die stets behandelt und nicht unterschätzt werden sollte. Mitunter können leichte kortisonhaltige Cremes für kurze Zeit angebracht sein, um eine Verschlimmerung des Befundes vorzubeugen. Weiterhin haben sich kühlende und regenerierende Lotionen bewährt, die nicht zu okklusiv (wasserabweisend) sein sollten. Der Feuchtigkeitsaustausch sollte nicht behindert werden. 

Mythos 7: Korallen sterben durch Sonnencreme

JA: Nach Schätzungen der amerikanischen Meeresbehörde NOAA landen bis zu 6000 Tonnen Sonnenschutzmittel in den Riffen und richten bei Korallen und Fischen Schaden an. Vor allem die chemischen Filter Octinoxat, Octocrylene und Oxybenzon stehen im Verdacht, Korallenriffe schädigen zu können. Die beiden UV-Filter sind offiziell als sicher für den Einsatz in kosmetischen Produkten eingestuft, werden aber in europäischen Produkten nicht mehr eingesetzt. Weltweit hat hier bereits ein Umdenken eingesetzt und beispielsweise auf Hawaii sind beide Filter seit Januar 2021 verboten. 

Mythos 8: Gute Sonnencreme sollte immer aus der Apotheke und höherpreisig sein

NEIN: In Drogeriemärkten sind auch im Niedrigpreissektor wirksame und sichere Sonnencremes zu erwerben. Diese werden auch regelmäßig von der Stiftung Warentest unter Berücksichtigung zahlreiche Qualitätsindikatoren getestet. Die Ergebnisse zeigen: Die Qualität des Sonnenschutzmittels hängt nicht vom Preis ab. Günstige Produkte aus dem Discounter sind sogar häufig Testsieger.

Mythos 9: Sonnencreme macht Akne

JEIN:  Auch hier gilt, dass die Sonnencreme auf den individuellen Hauttyp abgestimmt sein sollte.

Hier gibt es ölfreie Sonnencremes, die nicht zusätzlich die Poren verstopfen. Generell gilt, dass fettigere Hauttypen eine Sonnenmilch besser vertragen als Sonnenschutzöle oder -cremes. Auch im Winter ist als Alternative zur Sonnencreme eine Tagescreme mit UV-Schutz zu empfehlen. Wichtig ist, spezielle Cremes für das Gesicht zu verwenden. 

Mythos 10: Wer Sonnencreme verwendet, wird nicht braun

NEIN: Auch mit Sonnenschutz wird man braun. Jeder Mensch besitzt dieselbe Anzahl an pigmentbildenden Hautzellen. Die Bräune hängt allein vom „Fleiß“ dieser Melanozyten ab. Je mehr vom braunen Farbstoff Melanin in der Haut vorhanden ist, desto besser ist die Haut geschützt. Eine Sonnencreme mit UVB-/UVA-Filter absorbiert, streut oder reflektiert die UV-Strahlung. Das schützt die Haut, da die Dosis geringer ist und die Melanozyten mehr Zeit haben, einen Hauteigenschutz zu entwickeln. Außerdem trocknet die Haut nicht so schnell aus und die Bräune bleibt länger erhalten.

Mythos 11: Wenn Wolken am Himmel sind, ist man vor der Sonnenstrahlung sicher

NEIN: Auch bei bewölktem Himmel dringen UV-Strahlen an die Erdoberfläche. Ein bewölkter Himmel, Wind und Kälte täuschen meist über die Strahlenintensität hinweg. Selbst bei bedecktem Himmel dringen noch bis zu 80% der UV-Strahlung durch. Diese können insbesondere durch Schnee, Sand, Beton oder Wasser reflektiert werden. 

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