Der Emanzipationskurs startete 1971 skandalös in Rio
Als die Pop-Sängerin Rihanna jüngst ihre Schwangerschaft verkündete, verbreiteten sich die Bilder ihres Babybauchs hundertmillionenfach um die Welt: Auf den Straßen New Yorks ließ sie ihren entblößten Bauch unter ihrem aufgeknöpften Mantel hervorragen, beschmückt mit bunten Edelsteinen. Die Zelebrierung ihrer Schwangerschaft löste im Netz eine Welle der Begeisterung aus: Mutter-Werden scheint 2022 schwindend in Konkurrenz zu einem selbstbewussten Umgang mit dem eigenen Körper zu stehen. Dass Frauen diesbezüglich noch in den 1970er-Jahren an ihre Grenzen stießen, zeigt das Beispiel der damals sehr prominenten Leila Diniz. Die Schauspielerin und TV-Moderatorin entfachte einen weltweiten Skandal, nachdem sie sich als erste Schwangere Brasiliens im Bikini und mit Babybauch am Strand gezeigt hatte.
Der Babybauch-Skandal 1971 im Bikini
Ein Blick in die Vergangenheit offenbart, weshalb schwangere Körper bis Ende des 20. Jahrhunderts der öffentlichen Stigmatisierung unterlagen – und wie dieses Tabu durchbrochen werden konnte.
Laut der Kulturwissenschaftlerin Alexandra Regiert vom Bad Rappenauer BikiniARTmuseum habe Leila Diniz ein simples Bad im Meer zu einem bahnbrechenden Akt der Emanzipation gemacht, als sie sich im Sommer 1971 im Bikini am Strand von Ipanema zeigte: Leila Diniz war die erste Schwangere Brasiliens, die dieses Wagnis anstellte – wohlgemerkt zu Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur. Die Schauspielerin entfachte einen weltweiten Skandal, der die Konservativen in Atemnot versetzte, zumal schwangere Frauen ihren Bauch beim Baden aus sexualmoralischen Gründen stets bedeckt zu halten hatten. Dass die Brasilianerin zu diesem Zeitpunkt noch unverheiratet war, trieb die öffentliche Aufregung ins Unermessliche. Leila Diniz avancierte im Zuge des Aufschreis zur Ikone der brasilianischen Frauenbewegung. Zwar genoss sie ihren Ruhm nur kurz – sieben Monate nach der Geburt ihrer Tochter starb sie bei einem Flugzeugabsturz –, doch mit ihrem Auftritt hatte Diniz die Entstigmatisierung schwangerer Körper in Gang gesetzt. Obgleich Schwangerschaft in der breiten Bevölkerung nach wie vor durch weite Umstandsmode verhüllt werden sollte, folgten zunehmend mehr Frauen Diniz‘ Beispiel.
Die Schauspielerin und TV-Moderatorin Leila Diniz entfachte 1971 einen weltweiten Skandal, nachdem sie sich als erste Schwangere Brasiliens im Bikini und mit Babybauch am Strand gezeigt hatte. Ein Blick in die Vergangenheit offenbart, weshalb schwangere Körper bis Ende des 20. Jahrhunderts der öffentlichen Stigmatisierung unterlagen.
Schwangerschaft im Wandel der Zeit: Wenn schon schwanger, dann bitte unbemerkt!
Welch hohe emanzipatorische Bedeutung Diniz‘ Wagnis beizumessen ist, macht ein Blick in die Geschichte deutlich: Zwar gehörte im 19. Jahrhundert die Mutterschaft zu den elementaren Aufgaben der bürgerlichen Ehefrau, dennoch galt eine gewölbte Körpermitte als hochgradig unattraktiv. Trotz Gefahren für das ungeborene Kind zwangen werdende Mütter ihre Bäuche aus modischen Gründen in Korsetts. Deren hohe Popularität entsprang dem bis in das 20. Jahrhundert hinein geltenden Ideal der Wespentaille und spiegelte mangelnde Entfaltungsmöglichkeiten der Frauen wider. Mit der Frauenbewegung des frühen 20. Jahrhunderts blieb die schwangere Frau weiter in Verruf, denn nun galt es, dem Bild der knabenhaften Garçonne zu entsprechen. Auch als im Nationalsozialismus die Mutterschaft im Sinne der Ideologie eine Bedeutungsaufwertung erfuhr, bestand die Erwartung, dass Schwangerschaft und Geburt spurlos am weiblichen Körper vorübergingen. Dies besaß bis weit in die 1960er-Jahre hinein Gültigkeit, als die Frauenerwerbsarbeit zunehmend Förderung erfuhr. Nach der Geburt war es das Ziel, sich möglichst bald wieder dem schlanken Schönheitsideal à la Twiggy anzunähern und Mutterschaft und Berufstätigkeit reibungslos miteinander zu vereinbaren.
The Bikini is my thing! Leitperspektiven des BikiniARTmuseums
Rihannas Beispiel zeigt: Schwangerschaft scheint heute nahezu befreit von einer körpernegativen Konnotation. Unter den Leitperspektiven „Woman Power“ und „Body Positivity“ beleuchtet das BikiniARTmuseum diese Emanzipationsprozesse am Beispiel der Bademode und setzt sich mit der Kampagne „The Bikini is my thing“ für die Förderung eines diversen Körperbildes ein. Von einer als unattraktiv verschrienen Lebensphase wandelte sich die Schwangerschaft zu einem Zustand, der es Frauen erlaubt, ihren Körper zu zeigen, sofern sie das möchten. Letzteres – Entscheidungen freien Willens zu treffen – ist schließlich der Kerngedanke des Feminismus, den es insbesondere am Weltfrauentag zu betonen gilt.
Bildcredits: © BikiniARTmuseum, © pixabay
Text: Alexandra Regiert