Kinderintensivmediziner des Universitätsklinikums Bonn klären auf 

Mythos über „Sekundäres Ertrinken“ verunsichert Eltern 

Planschen, Baden, Schwimmen – gerade bei hohen Sommertemperaturen wie derzeit erfreuen sich Kinder über eine Erfrischung im kühlen Nass. Doch irreführende Begriffe wie „sekundäres Ertrinken“ oder „trockenes Ertrinken“ sorgen bei Eltern für Unsicherheit und schüren Ängste. Die Initiative „Kindernotfall Bonn“ der Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Bonn (UKB) stellt Eltern deshalb auf ihrer Website (www.kindernotfall-bonn.de faktenbasierte und zuverlässige Informationen zu Ertrinkungsunfällen bereit, um Bedenken zu verringern und zugleich Wissen für den Notfall zu vermitteln.

Ertrinken ist eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern, dabei sind die meisten Ertrinkungsunfälle vermeidbar. Daher sollte jeder, der sich mit Kindern in Wassernähe aufhält, für mögliche Gefahren sensibilisiert sein. Nur so lassen sich Unfälle im und am Wasser vorbeugen und es kann im Notfall umgehend und angemessen reagiert werden. „Eltern und Aufsichtspersonen müssen sich bewusst sein, dass eine uneingeschränkte Aufmerksamkeit, insbesondere ohne Ablenkung durch Handys oder andere Geräte, entscheidend und lebensrettend sein kann“, betont Dr. Till Dresbach, Oberarzt der Neonatologie und Kinderintensivmedizin am UKB. 

Ungenaue Begrifflichkeiten schüren unnötige Ängste 

In den letzten Jahren wurde jedoch vermehrt in Medienberichten suggeriert, Kinder könnten noch Stunden oder sogar Tagen nach dem Verschlucken von kleinen Wassermengen versterben. Viele Eltern befürchten deshalb, dass das Spielen im Wasser eine ernsthafte Gefahr für ihre Kinder darstellt. 

Umso mehr ist Oberarzt Dresbach zu Beginn des Sommers eine medizinische und faktenbasierte Klassifizierung des Ertrinkens als Unfall- oder Todesursache ein wichtiges Anliegen: „Es ist bedauerlich, dass aufgrund einzelner tragischer Vorfälle nach wie vor in Zeitschriften und den sozialen Medien falsche Informationen über das Ertrinken verbreitet werden. Diese irreführenden Berichte verursachen immense Ängste bei Eltern und lenken von den entscheidenden Informationen zur Prävention von Ertrinkungsunfällen ab.“ 

Die Begriffe „sekundäres Ertrinken“ oder „trockenes Ertrinken“ sind keine Fachbegriffe und werden in öffentlichkeitswirksamen Medien häufig synonym verwendet und suggerieren, dass ein Mensch im Nachgang an einen Bade- oder Ertrinkungsunfall verstirbt – vermeintlich nicht durch das „klassische“ Ertrinken, sondern an den Folgen des Wasseratmens. 

Es ist wichtig zu verstehen, dass das Verschlucken bzw. Aspirieren geringer Wassermengen in die Atemwege beim Spielen im Wasser in den meisten Fällen medizinisch nicht relevant ist. Vielmehr führt dies meistens zu einem Hustenreiz, der die Lunge schützt. 

„Täglich atmen hunderte Kinder kleine Mengen Wasser beim Spielen im Schwimmbad, Pool oder Planschbecken ein, und dies stellt in der Regel keine Gefahr dar“, sagt Prof. Dr. Andreas Müller, Direktor der Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am UKB, der solche Fälle während seiner langjährigen klinischen Erfahrung nicht beobachtet hat. „In den letzten zehn Jahren wurde kein einziges Kind in unserer Klinik aufgrund des Verschluckens von Wasser während des Schwimmens intensivmedizinisch behandelt.“ 

Wirkliche Gefahr besteht erst, wenn größere Mengen Wasser in die Lunge gelangen. „In solchen Fällen kann sich der Zustand in den ersten Stunden nach der Rettung aus dem Wasser verschlechtern. Es ist jedoch wichtig festzuhalten, dass Menschen nicht unerwartet Tage oder Wochen später an Ertrinken sterben, ohne vorherige Symptome zu zeigen“, so Prof. Müller mit Nachdruck. 

Ärztliche Aufklärung und Handlungsanweisung vermeidet Ertrinkungsunfälle 

Bei folgenden Symptomen raten die Bonner Kinderintensivmediziner nach einem Badeunfall einen Arzt aufzusuchen: Dazu gehören anhaltender Husten, schnelle und angestrengte Atmung, Erbrechen und psychische Auffälligkeiten. 

Als Faustregel gilt: Wenn beim Schwimmen Wasser eingeatmet wird und anschließend die Symptome schwerwiegender sind als beim Verschlucken eines Getränks, sollten Eltern oder Aufsichtspersonen sich mit ihren Kindern ärztlich vorstellen oder medizinische Hilfe aufsuchen.

Erste Hilfe bei Ertrinken 

Um ernsthaften Folgen nach einem Badeunfall vorzubeugen ist es wichtig, dass Eltern oder Aufsichtspersonen ein genaues Verständnis des Ertrinkungsproblems und darauf angemessener Reaktionen zu haben. 

• Das Kind sollte unverzüglich aus dem Wasser gerettet werden. 

• Es ist sofort der Notarzt (112) zu verständigen. Idealerweise von einer zweiten Person. 

• Wenn das Kind bewusstlos ist und keine Atmung festgestellt werden kann, sollten sofort Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet werden. 

• Bei der Wiederbelebung von Kindern steht die Beatmung, also das Zuführen von Luft in die Lunge, im Vordergrund. Dies wird durch Mund-zu-Mund-Beatmung erreicht. Die Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen bei allen Kindern mit fünf Beatmungen. Dabei sollte die Nase des Kindes zugehalten werden. Wenn nach den fünf Beatmungen keine Lebenszeichen vorhanden sind, sollte mit der Herzdruckmassage begonnen werden. 

• Wichtig: Eltern oder Erwachsene können bei Wiederbelebungsmaßnahmen nichts falsch machen. Es ist ein großer Fehler, keine Maßnahmen zu ergreifen, da dies den Behandlungserfolg bei Ertrinkungsopfern erheblich beeinträchtigt. 

Tipp: Alle Eltern sollten einen Kindernotfallkurs besuchen, um die Wiederbelebungsmaßnahmen bei Kindern zu erlernen. 

Interaktive Kindernotfall-Webinare bietet die Initiative Kindernotfall Bonn am Universitätsklinikum Bonn an.

Bildcredits: © Universitätsklinikum Bonn (UKB) / Alessandro Winkler