Wahr oder falsch? Die häufigsten Mythen rund ums Stillen
Stillen bereitet vielen Neu-Mamas Schwierigkeiten und Falschinformationen verunsichern zusätzlich. Expertin Ute Voß, Still- und Laktationsberaterin des Mutter-Kind-Zentrums am Helios Klinikum Krefeld, räumt mit den häufigsten Still-Mythen auf und gibt hilfreiche Tipps.
1. Mythos: Die Brustwarzen müssen aufs Stillen vorbereitet werden
Das stimmt nicht, da sich die Brustwarzen von ganz allein auf das Stillen vorbereiten. Sie verändern sich bereits in der Schwangerschaft von selbst. Die Vorhöfe werden größer und dunkler pigmentiert und auch die Haut wird widerstandsfähiger. Zudem gibt es um die Vorhöfe herum die sogenannten Montgomery-Drüsen, die ein antibakterielles und antivirales Sekret absondern. So bleibt die Brustwarzenhaut geschmeidig und in Takt.
2. Mythos: Stillen tut weh
Das Stillen selbst tut nicht weh, oft ist die falsche Anlegetechnik der Grund für Schmerzen. Das Baby trinkt nämlich nicht an der Brustwarze, sondern an der Brust. Wenn das Baby richtig angelegt ist, liegt die Brustwarzenspitze hinten am weichen Anteil des Gaumens beim Baby. Mit der Zunge streicht das Baby dann die Milch aus der Brust. Wenn das Baby nur die Brustwarze im Mund hat, klemmt es mit der Zunge die Brustwarze gegen die Kante vom Gaumen und verursacht mitunter starke Schmerzen bei der Mutter. Doppelt ärgerlich: Das Baby kann so auch nicht die Milch ausstreichen, weil es die Milchgänge zudrückt.
Darüber hinaus kann eine Brustwarzensalbe verwendet werden, um zusätzliche Linderung zu verschaffen.
3. Mythos: Kleine Brüste geben weniger Milch
Das ist ein vollkommener Irrglaube. Die Größe der Brust ist völlig unabhängig vom Drüsengewebe. Eine große Brust hat anteilig viel mehr Fettgewebe in der Brust, ihr Drüsengewebe unterscheidet sich aber nahezu nicht von einer Frau mit kleiner Brust. Auch kleine Brüste können daher ausreichend Milch bilden.
4. Mythos: Abpumpen erhöht die Milchmenge
Ja, das ist möglich. Die Frauen müssen sich aber im Vorfeld gut informieren und ein paar Dinge beachten. An einer Pumpe hat man beispielsweise eine deutlich geringere Hormonausschüttung als beim Stillen. Es kann sein, dass sich erst einmal nicht so viel Milch beim Abpumpen zeigt, weil das Milchspendehormon Oxytocin deutlich reduziert ist. Das gibt sich mit der Zeit, wenn regelmäßig abgepumpt wird oder eben auch die Brust durch Massagetechniken vorbereitet wird.
5. Mythos: Prenahrung ist schlecht für mein Baby
Das ist definitiv ein Mythos. Generell ist Muttermilch der Goldstandard und das, was die Natur als Erstnahrung vorgesehen hat. Diese Substanz kann man nicht künstlich herstellen und kein Produkt kommt an die Qualität von Muttermilch heran. Nichtsdestotrotz ist die Prenahrung eine gute Ersatznahrung und ermöglicht es Frauen, die aus verschiedenen Gründen nicht selbst stillen können oder wollen, ihre Kinder gut zu ernähren. Daher muss sich auch keine Mutter schlecht fühlen, wenn sie ihrem Baby Prenahrung gibt.
6. Mythos: Flasche oder Stillhütchen führen zu Saugverwirrung
Ja, in den meisten Fällen führen Fläschchen oder Stillhütchen zu Saugverwirrung. An der Brust muss das Kind den Mund ganz weit aufmachen, damit über den Brustwarzenhof gegriffen wird. An einem Flaschensauger oder einem Schnuller muss das Kind den Mund zumachen, ansonsten fällt der Sauger aus dem Mund. Ohne groß etwas tun zu müssen, fängt dann die Milch an zu fließen, ohne Stimulation. Wenn dann wieder gestillt wird und das Baby keine Saugbewegung mehr macht, kommt auch keine Milch. Das Baby kann nicht nachvollziehen, warum das so ist. Wenn sich das richtige Saugverhalten nach ein paar Wochen an der Brust manifestiert hat, können die Kleinen ganz prima hin und her wechseln zwischen Schnuller und Brust.
7. Mythos: Stillende sollten die Brust nicht waschen oder Parfüm benutzen
Ja und nein – die Stillenden sollten sich und die Brust ganz normal waschen, aber nicht mit extra Seife oder Parfümstoffen an die Brust gehen. Das kann das Baby irritieren und ist auch vollkommen unnötig. Die Mama duftet für ein Baby ganz toll, auch Schweißgeruch empfindet das Baby nicht als störend. In den Montgomery-Drüsen sind Duftstoffe enthalten. Das sind die gleichen Duftmoleküle, die auch im Fruchtwasser sind. Daher wird ein Baby von der Brust auch magisch angezogen, weil es wie zu Hause duftet. Es fühlt sich dort einfach wieder rundum wohl, geborgen und sicher und schläft deshalb in den ersten Tagen auch oft an der Brust ein. Eines der ersten Vertrauensbeweise eines Babys an seine Mama.
8. Mythos: Stillen verursacht Hängebrüste
Das ist ein Irrglaube. Alle Veränderungen der Brust in der Stillzeit sind reversibel. Die Veränderungen, die in der Schwangerschaft auftreten können, verschwinden nicht wieder von allein. So können Frauen mit schwachem Bindegewebe Schwangerschaftsstreifen bekommen, auch an den Brüsten. Das hängt aber nicht mit dem Stillen zusammen, sondern mit den Hormonen und den Veränderungen in der Schwangerschaft.
9. Mythos: Stillen verringert das Brustkrebsrisiko
Das ist richtig und ein sehr wertvoller Nebeneffekt des Stillens. Eine Stilldauer von sechs Monaten oder mehrere Stillzeiten addiert, verringern das Brustkrebsrisiko um bis zu 24 Prozent. Bestimmte Stoffe in der Muttermilch zerstören Krebszellen. Auch die veränderte Hormonsituation sorgt dafür, dass das Krebsrisiko sinkt. Übrigens nicht nur für Brust- sondern auch für Eierstockkrebs.
10. Mythos: Jeder kann stillen
Rein biologisch kann jede Frau, die schwanger geworden ist, auch stillen. Das hat die Natur so vorgesehen. Es gibt vereinzelt Frauen, die wenig Drüsengewebe haben. Aber auch sie können in den meisten Fällen zumindest teilstillen. Das Problem sind oft Fehlinformationen und unnötiger Druck von außen, die das Stillen mitunter unmöglich machen. Es geht bereits damit los, dass ein weinendes Baby nicht automatisch ein hungriges Baby ist. Wenn das Baby nach dem Stillen noch weint, hat es andere Sorgen. Die Verunsicherung verleitet viele Mamas leider dazu, unnötig zuzufüttern oder mit dem Stillen ganz aufzuhören.
11. Mythos: Wer nicht stillt, hat eine schlechtere Bindung zum Baby
Riechen, sehen, schmecken, fühlen, hören – das passiert für Babys an der Brust intensiver, da ein direkter Hautkontakt besteht. Es gibt auch Studien, die belegen, dass Mütter beim Stillen mit ihrem Baby signifikant mehr sprechen – auch die Väter – als nicht stillende Eltern. Nicht stillende Mütter sollten daher viel Hautkontakt mit ihrem Baby haben und während des Fütterns viel sprechen. Dann ist die Bindung natürlich genauso gut wie bei den Stillenden.
Ganz allgemein ist wichtig, dass sich die Neu-Mamas nicht unter Druck setzen lassen und nicht gestresst sind. Sie sollten sich beim Stillen eine bequeme Sitz- und Liegeposition suchen. Denn nur, wenn Baby und Mama ganz entspannt sind, kann das Stillen eine schöne Erfahrung werden.
Gut zu wissen: Stillberaterinnen gehen auch zu nicht stillenden Eltern und klären unter anderem über die verschiedenen Prenahrungen auf, informieren über Folgenahrung und bindungsorientiertes Füttern mit der Flasche.
Text © Helios Kliniken GmbH
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