Zwischen beruflichen und privaten Belastungen

Das Erschöpfungssyndrom, auch Burnout genannt, wurde erstmals im Jahre 1974 von dem amerikanischen Psychotherapeuten Herbert J. Freudenberger beschrieben: Es benennt ein Krankheitsbild, bei dem Menschen sich chronisch überfordert fühlen, vermehrt in frustrierende Situationen geraten und sich selbst zwischen beruflichen und privaten Belastungen verlieren.

Ausmaß und ein prominentes Beispiel

Mittlerweile identifiziert sich bis zu 1/3 der arbeitenden Bevölkerung mit der oben beschriebenen Klassifikation. Auch wenn die Symptomatik des Erschöpfungssyndroms häufig mit der Diagnose Depression vermengt und verwechselt wird, kann bei solchen Größenverhältnissen bereits von einer Pandemie gesprochen werden, welche konkrete Gegenmaßnahmen erfordert. In der Diskussion über die Thematik fallen Begriffe wie Work-Life-Balance, Entfremdung, Depersonalisierung, Arbeitszeitmodelle und Workloads.

Eines der bekanntesten Gesichter, das mit der Thematik Erschöpfungssyndrom in Zusammenhang gebracht wird, gehört zu dem Fußballlehrer Ralf Rangnick. Als er im Jahr 2012 von seiner Trainerstelle bei Schalke 04 zurücktrat, begründete er dies mit der Aussage: „Ich habe keine Kraft mehr“ und beschrieb im Folgenden, wie der berufliche Stress seiner Psyche zunehmend zusetzte, bis er von Auszeiten keinen Erholungseffekt mehr erfuhr und auch körperlich am Ende war. Was Rangnick damals tat, war sich selbst zu schützen und konsequent zu handeln, denn in seinem Zustand konnte er der Erwartungshaltung von innen und außen nicht mehr gerecht werden, schon gar nicht ohne sich selbst massiv zu schaden.

Ursachen und Gegenmaßnahmen

Im schlechtesten Fall werden Menschen, welche ihre beruflichen Anforderungen nicht mehr erfüllen können, als leistungsschwach oder gar leistungsunwillig stigmatisiert. Dabei sind meist gerade solche Personen von Burnout betroffen, die sich selbst unter enormen Druck setzen, um ihre Aufgaben bestmöglich zu erfüllen. Perfektion ist auch deswegen keine gesunde Einstellung, weil bereits bei kleinen Fehlern der eigene Wert in Frage gestellt wird – so entsteht enorme Frustration und das Selbstwertgefühl leidet. Betroffene berichten oft, dass Sie sich für zu viele Dinge gleichzeitig verantwortlich fühlen, auch für solche Aufgaben, die eigentlich im Kompetenzbereich ihrer Kollegen liegen.

Eine wichtige Maßnahme, um der zunehmenden Erschöpfung entgegen zu wirken, ist daher Abgrenzung. Dies gilt zum einen zeitlich: Arbeitszeit und Freizeit sollten klar getrennt werden, um die Phasen der Regeneration auch nutzen zu können. Zum anderen müssen Betroffene oft lernen, Prioritäten zu setzen und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Nicht zuletzt gilt: Nein sagen können, wenn die Kollegen mal wieder versuchen, ihre eigenen Aufgaben auf diejenigen zu übertragen, die im Notfall immer bereitstehen obwohl sie selbst bereits mit Arbeit überladen sind. Kommunikation ist in diesem Zusammenhang ein Schlüsselwort, denn oft ist anderen gar nicht bewusst, dass sie ihre leistungsbereiten Mitmenschen überfordern. Schließlich werden diejenigen, welche sich gerne oft und lautstark über zu viel Arbeitsbelastung beklagen, unabhängig vom realen Workload häufig eher als Performer wahrgenommen.

Geschichte und Moderne

Der Begriff der Entfremdung ist ebenfalls eng mit dem Erschöpfungssyndrom verbunden. Karl Marx prägte den Begriff bereits im Rahmen seiner Kapitalismuskritik im 19. Jahrhundert und beschrieb, wie  zunehmende Arbeitsteilung, hohe Arbeitsbelastung und fehlende Teilhabe an der Wertschöpfung die Identifikation mit der eigenen Arbeitsleistung und letztlich auch mit der eigenen Identität aufzulösen begann. Die daraus resultierende Sinnleere ist ein echter Motivationskiller und macht das Arbeiten für Betroffene zu einem chronischen Kraftakt. Die Größenverhältnisse dieser Problematik werden deutlich, wenn man bedenkt, dass immerhin 13 Prozent der Deutschen ihre Arbeit als nicht sinnvoll betrachtet.

Moderne Unternehmen arbeiten daher im Normalfall darauf hin, die Identifikation ihrer Mitarbeiter mit dem Unternehmen zu erhöhen und ihnen eine sinnstiftende Tätigkeit zu vermitteln. Dem förderlich ist in jedem Fall auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beruflichen Anforderungen und privaten Bedürfnissen, der sogenannten Work-Life-Balance. Historisch gesehen eher neue Arbeitsmodelle wie Home-Office und flexible Arbeitszeiten sind dabei ebenso ein Mittel der Wahl, wie flache Hierarchien innerhalb eines Unternehmens das Gefühl fördern, wirklich etwas bewegen zu können.

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